Dienstag, 29. Mai 2007

Lektüre

Sabine Gruber:

Über Nacht

Verlag C.H. Beck, München 2007


Sabine Gruber ist eine 1963 in Südtirol geborene Schriftstellerin die heute in Wien lebt. “Über Nacht” ist ihr dritter Roman.

Als ich einem Freund erzählt habe mir dieses Buch gekauft zu haben, hat er mir geraten, die Lektüre zu genießen, das Buch nicht zu verschlingen. Diese Gefahr jedoch besteht beim Lesen von “Über Nacht” gar nicht. Der Text lädt ein dazu, innezuhalten, die Geschichte in sich aufzunehmen, sich von der Geschichte, die der Text erzählt, einspinnen zu lassen, den Gedanken der beiden Protagonistinnen nachzufühlen, und: zu erkunden, wie der Text “funktioniert”, wie die Autorin ihn “gebaut” hat, wie das Leben der beiden Frauen um die es im Roman geht, verknüpft ist.
Und trotzdem ist es “spannend” das Buch zu lesen; oder vielleicht gerade deswegen, weil die “Spannung” nicht wie in der Trivialliteratur durch die Fesselung an das (möglichst aktionsreiche) Geschehen hervorgerufen wird, sondern auch in der Auseinandersetzung mit dem Text und und seinem Wirken liegt.

Irma lebt in Wien, Mira in Rom.

Irma ist Kulturjournalistin und interviewt für ein Projekt der Arbeiterkammer Menschen mit aussterbenden Berufen. Der Vater ihres 2 Jahre alten Sohnes Florian, ein Mann mit dem sie nur eine Liebesnacht während eines Romaufenthaltes verbindet, weiß nichts von dessen Existenz.
Sie hat eine neue Niere erhalten und kommt von dem Gedanken, wer wohl der Spender gewesen sein und welches Leben er geführt haben könnte, nicht los.
Davide, der Lebensgefährte ihres homosexuellen Bruders ist eine ihrer größten emotionalen Stützen und Friedrich, ein möglicher zukünftiger Lebenspartner, tritt in ihr Leben.

Mira ist Pflegerin in einem Altenheim. Sie sorgt sich um ihre Ehe, fragt sich, warum ihr Mann, ein Möbelhändler der sich auf den Kauf und Verkauf von Designerstühlen spezialisiert hat, nicht mehr mit ihr schläft. Als einer ihrer Patienten ihr einmal gesteht, dass er seine Frau nicht, wie die ganze Familie mutmaßte, Jahrzehnte lang mit vielen anderen Frauen, sondern mit einem einzigen Mann betrogen hatte, beginnt sie Zusammenhänge zu ahnen und lässt sich auf ein Verhältnis mit dem Neffen dieses Patienten ein, der schon länger um sie geworben hat.

“Über Nacht” kann sich das Leben grundlegend verändern, kann Zeit, Lebenszeit, Hoffnung, Liebe, geschenkt und genommen werden. “Transplantation” ist nicht nur das Thema, um das die Gedanken von Irma hauptsächlich kreisen, “Verpflanzung”, das Herausgerissen werden aus seiner Existenz, dem Alltag, seiner Routine, - im positiven wie negativen - ist im weiteren Sinn ein Hauptthema des Buches und spiegelt sich auch im theoretischen Bereich, dem Akt des Schreibens, der Frage, wie ein Text erstellt wird und entsteht, “wie sich das Leben schreibt”, wieder.

Sabine Gruber nimmt den Leser mit einer schönen, klaren und bilderreichen Sprache gefangen und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass das Leben auch voll von lust- und humorvollen Aspekten ist.


[by a.k.; Alle Rechte vorbehalten!]



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