Mittwoch, 30. Mai 2007

Erinnerung

Jean Paul hat einmal geschrieben, die Erinnerung sei "das einzige Paradies woraus wir nicht vertrieben werden können".

Aber ich denke, die Erinnerung kann wohl auch eine Hölle sein, aus der man oft vergebens versucht zu flüchten.


[a.k.]







"Es ist schwer für Euch, sich eine Philosophie von jemandem vorzustellen, der vielleicht [gar] nicht denken kann."
(Charles Manson)



Dienstag, 29. Mai 2007

Lektüre

Sabine Gruber:

Über Nacht

Verlag C.H. Beck, München 2007


Sabine Gruber ist eine 1963 in Südtirol geborene Schriftstellerin die heute in Wien lebt. “Über Nacht” ist ihr dritter Roman.

Als ich einem Freund erzählt habe mir dieses Buch gekauft zu haben, hat er mir geraten, die Lektüre zu genießen, das Buch nicht zu verschlingen. Diese Gefahr jedoch besteht beim Lesen von “Über Nacht” gar nicht. Der Text lädt ein dazu, innezuhalten, die Geschichte in sich aufzunehmen, sich von der Geschichte, die der Text erzählt, einspinnen zu lassen, den Gedanken der beiden Protagonistinnen nachzufühlen, und: zu erkunden, wie der Text “funktioniert”, wie die Autorin ihn “gebaut” hat, wie das Leben der beiden Frauen um die es im Roman geht, verknüpft ist.
Und trotzdem ist es “spannend” das Buch zu lesen; oder vielleicht gerade deswegen, weil die “Spannung” nicht wie in der Trivialliteratur durch die Fesselung an das (möglichst aktionsreiche) Geschehen hervorgerufen wird, sondern auch in der Auseinandersetzung mit dem Text und und seinem Wirken liegt.

Irma lebt in Wien, Mira in Rom.

Irma ist Kulturjournalistin und interviewt für ein Projekt der Arbeiterkammer Menschen mit aussterbenden Berufen. Der Vater ihres 2 Jahre alten Sohnes Florian, ein Mann mit dem sie nur eine Liebesnacht während eines Romaufenthaltes verbindet, weiß nichts von dessen Existenz.
Sie hat eine neue Niere erhalten und kommt von dem Gedanken, wer wohl der Spender gewesen sein und welches Leben er geführt haben könnte, nicht los.
Davide, der Lebensgefährte ihres homosexuellen Bruders ist eine ihrer größten emotionalen Stützen und Friedrich, ein möglicher zukünftiger Lebenspartner, tritt in ihr Leben.

Mira ist Pflegerin in einem Altenheim. Sie sorgt sich um ihre Ehe, fragt sich, warum ihr Mann, ein Möbelhändler der sich auf den Kauf und Verkauf von Designerstühlen spezialisiert hat, nicht mehr mit ihr schläft. Als einer ihrer Patienten ihr einmal gesteht, dass er seine Frau nicht, wie die ganze Familie mutmaßte, Jahrzehnte lang mit vielen anderen Frauen, sondern mit einem einzigen Mann betrogen hatte, beginnt sie Zusammenhänge zu ahnen und lässt sich auf ein Verhältnis mit dem Neffen dieses Patienten ein, der schon länger um sie geworben hat.

“Über Nacht” kann sich das Leben grundlegend verändern, kann Zeit, Lebenszeit, Hoffnung, Liebe, geschenkt und genommen werden. “Transplantation” ist nicht nur das Thema, um das die Gedanken von Irma hauptsächlich kreisen, “Verpflanzung”, das Herausgerissen werden aus seiner Existenz, dem Alltag, seiner Routine, - im positiven wie negativen - ist im weiteren Sinn ein Hauptthema des Buches und spiegelt sich auch im theoretischen Bereich, dem Akt des Schreibens, der Frage, wie ein Text erstellt wird und entsteht, “wie sich das Leben schreibt”, wieder.

Sabine Gruber nimmt den Leser mit einer schönen, klaren und bilderreichen Sprache gefangen und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass das Leben auch voll von lust- und humorvollen Aspekten ist.


[by a.k.; Alle Rechte vorbehalten!]



Fragment




Die Affen

ca. 1975





(per Mausklick erhält man das Bild in größerem Format)



Die Affen

Mir hatte schon oft von ihnen geträumt und war daher nicht überrascht, als sie plötzlich ohne anzuklopfen bei der Türe hereinkamen.

Nur ihre Zahl überraschte mich etwas. Ich konnte micht nicht erinnern, je von so vielen auf einmal geträumt zu haben. Da die Tiere aber nicht groß waren und auch keine besonderen Ansprüche stellten wenn es ums Sitzen ging, war in meinem Wohnzimmer Platz genug für alle.



[Grafik und Text by a.k.; Alle Rechte vorbehalten]









Freitag, 25. Mai 2007

Rest In Peace


Beasts of Bourbon:
Rest In Peace

(Text und Musik: Tex Perkins)


Rest in peace
Rest in peace
Rest in peace
Rest in peace

Your trial is behind you
Rest in peace

Rest in peace
Rest in peace
May all the torched ones
Rest in peace

Rest in peace
Rest in peace
Your burden is relieved you
Rest in peace

Rest in peace
Just lay down and close your eye's
Just think about the light
At the end of that dark dark tunnel
Ain't it bright ain't it nice

Rest in peace
Rest in peace
May all the torched ones
Rest in peace

Rest in peace
Rest in peace
Your trial is behind you
Rest in peace

Your trial is behind you
Rest in peace





Aus dem Album: "Black Milk" von "Beasts of Bourbon"; Red Eye/Polydor, 4/843 666-2, 1990




Update 16. Feber 2017:



Montag, 21. Mai 2007

Es gibt keine Maikäfer mehr ...

Heut am Nachmittag war ich bei meiner Mutter im Heim; und zur "Erholung" bin ich danach schnurstracks in meinen Garten gefahren.
Eine vorher gekaufte Dose Bier hab ich aufgemacht, mir eine Zigarette angezündet, mich hingesetzt und einfach nur in das Grün geschaut. Ruhig war's im Garten; ein paar Stimmen aus Nachbargärten in der Schrebergartenanlage, aber ich konnte nicht verstehen, über was gesprochen wurde. Umso deutlicher hab ich die Vögel in den Bäumen und Büschen rundherum gehört: die Spatzen, die Meisen und die Amsel, die am Abend sich immer in den Fliederbusch setzt, die hat alles übertönt.

So bin ich da gesessen, und plötzlich ist mir eingefallen: heut ist der 21. Mai - nein, das ist kein besonderes Datum für mich - aber Mai, es ist Mai und: Es gibt keine Maikäfer mehr!

[by a.k.; alle Rechte vorbehalten.]


Reinhard Mey:
Es gibt keine Maikäfer mehr

Wenn ich vor dem neuen Parkhaus stehe, denk‘ ich manchmal dran,
Wie das früher hier mal aussah, eh‘ der große Bau begann:
Da, gleich an der Einfahrt, an der Kasse, da war Schlüters Haus
Und gleich dort, neben der Schranke, da wohnte die alte Kraus.
Bei der stieg ich regelmäßig jedes Frühjahr über‘n Zaun,
Und genauso regelmäßig wurde ich dafür verhau‘n.
In den Garten wagten sich die Nachbarskinder nicht und so
Gab‘s darin zur Maikäferzeit viel mehr als sonst anderswo.
Ich seh‘ mich noch heute loszieh‘n mit dem großen Schuhkarton,
Mit den Luftlöchern im Deckel zu mancher Expedition;
Und ich rüttelte an Bäumen, und ich wühlte auch im Moos,
Die Erfolge waren prächtig und mein Trickreichtum war groß.
Würd‘ ich heut noch einmal loszieh‘n, blieb mein Schuhkarton wohl leer;
Selbst ein guter Käferjäger
Brächte keinen Schornsteinfeger,
Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser her:
Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt keine Maikäfer mehr!

Hin und wieder sah der alte Schlüter meine Beute an.
Der war Maikäferexperte und erinnerte sich dran,
Daß die Käfer damals eine Plage waren, daß sogar
Dem, der die meisten einfing, eine Prämie sicher war,
Daß die Kinder schulfrei kriegten für den Maienkäferfang,
Und er sagte, daß ihm damals mancher schöne Coup gelang.
Und die Zahlen, die er nannte, die beeindruckten mich tief,
So daß ich mit meiner Beute fast beschämt nach Hause lief.
Wenn ich heut‘ noch einmal halb so viel wie damals fangen könnt‘,
Würd ich wohl‘ zum König aller Maikäfersucher gekrönt.
Nicht, daß ich vergessen hätte, wie und wo man welche fängt,
Oder aus dem Alter raus bin, wo es einen dazu drängt.
Nein, würd‘ ich noch einmal loszieh‘n, blieb mein Schuhkarton wohl leer;
Selbst ein guter Käferjäger
Brächte keinen Schornsteinfeger,
Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser her:
Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt keine Maikäfer mehr!

Es gibt wichtigere Dinge, aber ich schreibe trotzdem
Auf ein Birkenblatt die Noten für ein Käferrequiem.
Es gibt sicher ein Problem, dessen Erforschung sich mehr lohnt
Als, warum denn heut‘ im Parkhaus wohl kein Maikäfer mehr wohnt.
Warum kriecht im Eichbaum, der davorsteht, keiner im Geäst?
Wenn mir diese Frage letzten Endes keine Ruhe läßt,
Dann vielleicht, weil ich von ihnen einst gelernt hab‘, wie man summt,
Wie man kratzt und wie man krabbelt, wie man zählt und wie man brummt,
Wie man seine Fühler ausstreckt und natürlich, weil ich find‘,
Daß sie irgendwie entfernte Namensvettern von mir sind.
Vielleicht ängstigt mich ihr Fortgeh‘n, denn vielleicht schließ‘ ich daraus,
Vielleicht geh‘n uns nur die Maikäfer ein kleines Stück voraus.
Denn würd ich noch einmal loszieh‘n, blieb mein Schuhkarton wohl leer;
Selbst ein guter Käferjäger
Brächte keinen Schornsteinfeger,
Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser her:
Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt keine Maikäfer mehr