Montag, 21. Mai 2007

Es gibt keine Maikäfer mehr ...

Heut am Nachmittag war ich bei meiner Mutter im Heim; und zur "Erholung" bin ich danach schnurstracks in meinen Garten gefahren.
Eine vorher gekaufte Dose Bier hab ich aufgemacht, mir eine Zigarette angezündet, mich hingesetzt und einfach nur in das Grün geschaut. Ruhig war's im Garten; ein paar Stimmen aus Nachbargärten in der Schrebergartenanlage, aber ich konnte nicht verstehen, über was gesprochen wurde. Umso deutlicher hab ich die Vögel in den Bäumen und Büschen rundherum gehört: die Spatzen, die Meisen und die Amsel, die am Abend sich immer in den Fliederbusch setzt, die hat alles übertönt.

So bin ich da gesessen, und plötzlich ist mir eingefallen: heut ist der 21. Mai - nein, das ist kein besonderes Datum für mich - aber Mai, es ist Mai und: Es gibt keine Maikäfer mehr!

[by a.k.; alle Rechte vorbehalten.]


Reinhard Mey:
Es gibt keine Maikäfer mehr

Wenn ich vor dem neuen Parkhaus stehe, denk‘ ich manchmal dran,
Wie das früher hier mal aussah, eh‘ der große Bau begann:
Da, gleich an der Einfahrt, an der Kasse, da war Schlüters Haus
Und gleich dort, neben der Schranke, da wohnte die alte Kraus.
Bei der stieg ich regelmäßig jedes Frühjahr über‘n Zaun,
Und genauso regelmäßig wurde ich dafür verhau‘n.
In den Garten wagten sich die Nachbarskinder nicht und so
Gab‘s darin zur Maikäferzeit viel mehr als sonst anderswo.
Ich seh‘ mich noch heute loszieh‘n mit dem großen Schuhkarton,
Mit den Luftlöchern im Deckel zu mancher Expedition;
Und ich rüttelte an Bäumen, und ich wühlte auch im Moos,
Die Erfolge waren prächtig und mein Trickreichtum war groß.
Würd‘ ich heut noch einmal loszieh‘n, blieb mein Schuhkarton wohl leer;
Selbst ein guter Käferjäger
Brächte keinen Schornsteinfeger,
Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser her:
Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt keine Maikäfer mehr!

Hin und wieder sah der alte Schlüter meine Beute an.
Der war Maikäferexperte und erinnerte sich dran,
Daß die Käfer damals eine Plage waren, daß sogar
Dem, der die meisten einfing, eine Prämie sicher war,
Daß die Kinder schulfrei kriegten für den Maienkäferfang,
Und er sagte, daß ihm damals mancher schöne Coup gelang.
Und die Zahlen, die er nannte, die beeindruckten mich tief,
So daß ich mit meiner Beute fast beschämt nach Hause lief.
Wenn ich heut‘ noch einmal halb so viel wie damals fangen könnt‘,
Würd ich wohl‘ zum König aller Maikäfersucher gekrönt.
Nicht, daß ich vergessen hätte, wie und wo man welche fängt,
Oder aus dem Alter raus bin, wo es einen dazu drängt.
Nein, würd‘ ich noch einmal loszieh‘n, blieb mein Schuhkarton wohl leer;
Selbst ein guter Käferjäger
Brächte keinen Schornsteinfeger,
Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser her:
Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt keine Maikäfer mehr!

Es gibt wichtigere Dinge, aber ich schreibe trotzdem
Auf ein Birkenblatt die Noten für ein Käferrequiem.
Es gibt sicher ein Problem, dessen Erforschung sich mehr lohnt
Als, warum denn heut‘ im Parkhaus wohl kein Maikäfer mehr wohnt.
Warum kriecht im Eichbaum, der davorsteht, keiner im Geäst?
Wenn mir diese Frage letzten Endes keine Ruhe läßt,
Dann vielleicht, weil ich von ihnen einst gelernt hab‘, wie man summt,
Wie man kratzt und wie man krabbelt, wie man zählt und wie man brummt,
Wie man seine Fühler ausstreckt und natürlich, weil ich find‘,
Daß sie irgendwie entfernte Namensvettern von mir sind.
Vielleicht ängstigt mich ihr Fortgeh‘n, denn vielleicht schließ‘ ich daraus,
Vielleicht geh‘n uns nur die Maikäfer ein kleines Stück voraus.
Denn würd ich noch einmal loszieh‘n, blieb mein Schuhkarton wohl leer;
Selbst ein guter Käferjäger
Brächte keinen Schornsteinfeger,
Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser her:
Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt keine Maikäfer mehr

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